Von Jan-Peter Schacht, Experte für Veränderungs- und Nachhaltigkeitsmanagement
Nachhaltigkeit wird in Familienunternehmen immer schon großgeschrieben
Empfohlene Schritte im Kontext des Omnibus-Paketes und der langfristigen Veränderung
Nachhaltiges Wirtschaften ist in der DNA von Familienunternehmen schon immer tief verankert. Früher wurde darunter unter anderem die Sicherstellung der langfristigen finanziellen Stabilität, ein tragfähiges Geschäftsmodell, die Nachfolgelösung und die intensive Sorge um alle Stakeholder – wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Kunden und Lieferanten – verstanden. Heute steht zusätzlich die Aufstellung der Familienunternehmen unter ESG-Gesichtspunkten im Fokus. Familienunternehmen arbeiten immer mit einer Langfristperspektive und denken generationenübergreifend. Sie sind nicht von Kapitalmarktbewertungen abhängig und besitzen eine ausreichende Finanzkraft, eine langfristige Transformation zu einem nachhaltigeren Geschäftsmodell zu schultern.
In der von mir als Co-Autor verfassten Studie mit den Sustainable Growth Associates (SGA) aus dem Jahr 2020/2021 zur strategischen Nachhaltigkeit haben die befragten Familienunter-nehmen in vielen Daten- und Bewertungspunkten überzeugt:
- In ihren Nachhaltigkeitsveränderungen lagen sie sichtbar vor kapitalmarktabhängigen Unternehmen sowie vor Unternehmen, die von angestellten Managern geführt wurden.
- Die Veränderung wurde vom Top-Management und/oder den Eigentümern geführt (meist in Personalunion).
- Sie hatten das deutlich fundiertere Verständnis, was systemische Nachhaltigkeit für ihr Geschäftsmodell sowie ihre Stakeholder und die Lieferkette bedeuten.
- Sie hatten den klareren Blick auf die notwendigen Umsetzungsschritte und vor allem, dass Nachhaltigkeitsveränderung einen langen Atem erfordert.
- Vielfach war systemisch gedachte und umgesetzte Nachhaltigkeit bereits in den Purpose, der Vision und die Strategie verankert worden. Es gab ein gemeinsames Verständnis, was Nachhaltigkeit bedeutet.
In der sicheren Erkenntnis, dass nur nachhaltig arbeitende Unternehmen langfristig überleben werden und die Veränderung zu mehr Nachhaltigkeit niemals zu einem Ende kommen wird1, haben viele Familienunternehmen den Weg eingeschlagen und sind trotz der anfallenden Kosten der Transformation meist sehr zufrieden mit der vollzogenen Veränderung. Die während einer ganzheitlichen Veränderung anfallenden Kosten – denn Nachhaltigkeitsveränderung bedeutet für die ersten Jahre bemerkenswerte Investitionen – dürfen nicht negiert werden. Gleichzeitig sind sie ein sehr stabiles Investment, welches sich in den Folgejahren konsequent entfaltet. Operative Kostenersparnis war die zweithäufigste Nennung für die Motivation zur nachhaltigen Veränderung des Geschäftsmodells in der SGA-Studie. Auch die globalen Aktienindices in den nachhaltigen Anlagenklassen zeigen nach einigen durchschnittlichen Performancejahren seit einiger Zeit wieder aufwärts. Nachhaltige Geschäftsmodelle werden als zukunftsträchtig angesehen und entsprechend bewertet.

© Jan-Peter Schacht
Derzeit diskutieren viele Unternehmen, welche die Veränderung zu mehr Nachhaltigkeit noch nicht oder nur halbherzig begonnen haben, die von der EU im Februar 2025 bekanntge-gebenen Omnisbus-Regelungen. Die Berichterstattung soll unter anderem erleichtert werden (weniger CSRD/ ESRS Datenpunkte, keine sektorspezifische Berichterstattung mehr, etc.) und die Grenzen der berichtspflichtigen Unternehmen werden deutlich heraufgesetzt (aktuell 1.000 Mitarbeiter/50 Mio.€ Umsatz – perspektivisch soll die Grenze noch weiter angehoben werden).
Vielfach ist der Reflex zu beobachten, dass die Unternehmen ihre Veränderungsbemühungen zu mehr Nachhaltigkeit einstellen oder auf ein Minimum reduzieren, weil die eigene Nachhaltigkeitstransformation nur regulatorisch getrieben war und das Management nicht wirklich dahinterstand. Aus den Erfahrungen von nachweislich nachhaltiger arbeitenden Unternehmen wissen wir, dass die reine Orientierung an den regulatorischen Vorgaben keine systemische Veränderung zu einem strategisch nachhaltig arbeitenden Unternehmen nach sich zieht. Ein „Manage-what-you-measure-Ansatz“ ist in der Nachhaltigkeitstransformation wenig hilfreich. Hier sind Familienunternehmen deutlich im Vorteil.
Nachweislich sind es sieben Erfolgsfaktoren, welche es Familienunternehmen ermöglichen, ihre Organisation zu einem langfristig nachhaltiger arbeitenden Unternehmen auszurichten (vgl. SGA – Studie):
- Festlegen einer eigenen Definition von Nachhaltigkeit sowie die Erkenntnis der Vorteile der Nachhaltigkeitstransformation fürs Unternehmen
- Definition und Verankerung einer Nachhaltigkeits-Vision (“unser Impact” & “unsere Relevanz”) sowie langfristige Ziele als Richtungsgeber
- Systemische Ausbildungaller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Basis wissenschaft-licher Konzepte und ganzheitlicher Denkansätze
- Auswahl strategischer Nachhaltigkeitskonzepte und Entwicklung einer Roadmap für die dauerhafte und langfristige Umsetzung
- Entwicklung eines Business Case, unter Berücksichtigung von Risiken, der Wert-schöpfung im System (Impact) und der Auswirkungen (Relevanz)
- Entwicklung einer Führungs- und Innovationskultur der gesamten Organisation
- Förderung der Zusammenarbeit und des Engagements aller Stakeholder (insb. Lieferanten und Kunden)
Die Anwendung dieser Erfolgsfaktoren kann jedem Familienunternehmen, welches gerade erst begonnen hat oder bereits eine gewisse Weile auf dem Weg ist, helfen, sein Aktivitäten zur Nachhaltigkeitsveränderung zu präzisieren und sich die eine oder andere negative (und teure) Erfahrung zu ersparen. Auch wenn es in der Welt der Nachhaltigkeitsveränderung durchaus akzeptiert ist, dass Aktivitäten ausprobiert werden können, die am Ende nicht zum Ziel führen, sollten doch möglichst wenig Wege eingeschlagen werden, die in einer Sachgasse enden.
In der Konzeption, Begleitung und Umsetzung der eigenen Nachhaltigkeitstransformation ist es immer ratsam, sich punktuell externe Expertise von außen zu holen. Häufig werden in Unkenntnis der richtigen Ansätze falsche Prioritäten gesetzt. Es kann aber auch vorkommen, dass Aktivitäten, welche sehr wohl auf die Nachhaltigkeitstransformation einzahlen, nicht als solche gesehen werden. Bei einem von mir betreuten Handelsunternehmen in Familienhand gab es bereits seit vielen Jahren eine Nachhaltigkeitskommission bestehend aus Eigentümern und Geschäftsführern, die eine sehr solide Nachhaltigkeitsagenda ausgearbeitet hatte. Diese Nachhaltigkeitskommission hat einen hohen Zeitanteil der verantwortlichen Mitglieder in Anspruch genommen, dennoch wurde diese Aktivität vom Nachhaltigkeitsmanager nicht als substanzielles Nachhaltigkeitsprojekt wahrgenommen und nicht als solches gewertet. Durch den Expertenblick von außen konnte die Sichtweise präzisiert werden.
Familienunternehmen nähern sich meist der eigenen Nachhaltigkeitstransformation durch den Aufbau einer durchdachten sowie intensiv evaluierten Nachhaltigkeitsagenda. Dies struk-turiert die Aktivitäten der Veränderung und dient vor allem der Klarheit in der Kommuni-kation und der Umsetzung.

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Die ganzheitliche Betrachtung der Organisation des Familienunternehmens auf dem Weg zur Nachhaltigkeitstransformation hilft bei der strukturierten Umsetzung. Als wichtigste Erkenntnis sollten gelten, dass die Veränderung zu mehr Nachhaltigkeit kein Projekt ist, sondern eine das Unternehmen für immer begleitende fundamentale Aufgabe, die nie aufhört. Nachhaltigkeit wird auf der Eigentümer- sowie obersten Managementebene verstanden, verankert und fortlaufend umgesetzt. Daher ist die kontinuierlich Auseinandersetzung mit allen Facetten der Nachhaltigkeitsveränderung so entscheidend. Diese wird in der Nachhaltigkeitsagenda formuliert, denn sie strukturiert die festgelegten Maßnahmen und Aktivitäten nach innen. Sie gibt Klarheit in der Kommunikation nach innen sowie außen und demonstriert, dass Nachhaltigkeit wirklich verstanden wird. Gerade vor dem Hintergrund der langfristigen Veränderung und der Notwendigkeit, alle Stakeholder „mitzunehmen“, ist diese Klärung von hoher Bedeutung.
Die Erfüllung der Regulatorik sollte kein Selbstzweck sein, sondern als Unterstützung gesehen werden sollte, das Richtige richtig zu tun. Da die Veränderung zu einem mehr nachhaltigeren Geschäftsmodell auf dem Engagement aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beruht, sollten diese die gleichen und vor allem verständliche Botschaften erhalten. Diese Botschaften werden auch mit den Schulungen und Ausbildungen kongruent sein müssen, siehe hierzu auch die oben erwähnten Erfolgsfaktoren. Auch die Kommunikation nach außen muss einheitlich und abgestimmt mit den Inhalten sein, die nach innen kommuniziert werden, damit alle Kunden, Lieferanten und potenzielle Mitarbeiter die gleichen „Nachhaltigkeits-Veränderungs-Story“ hören.

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Durch die gemeinschaftlich intensive Auseinandersetzung der Eigentümer und des Managements mit den komplexen Herausforderungen der Nachhaltigkeitstransformation wird die individuelle Nachhaltigkeitsagenda aufgebaut, welche die Transformation fortlaufend begleiten wird. Sie stellt die Umsetzungsarchitektur dar und ist die Basis für die Umsetzungs- und Veränderungs-Choreographie der Transformation.
Veränderung zu mehr Nachhaltigkeit ist einfach, wie schwierig zugleich. Sie kosten Zeit, intensive Auseinandersetzung und Geld. Doch am Ende stehen die Familienunternehmen immer besser da, sie verstehen ihren Impact, haben das Geschäftsmodell stabilisiert und können es getrost an die nächste Generation übergeben. Besonders beruhigend ist, dass der Gesellschaft und der Umwelt etwas Gutes getan wird!
Zum Autor:
Jan-Peter Schacht ist ein international erfahrener Berater, Projektleiter, Interim Manager und Business Advisor. Er berät seit über 28 Jahren kleine Unternehmen bis hin zu internationalen Großkonzernen in diversen Industrien zum Thema Veränderungs- und Nachhaltigkeitsmanagement. Erfahren Sie hier (→) mehr über Jan-Peter Schacht.
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Fußnoten
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