Die Mineralölindustrie auf den Spuren des Abgas-Skandals?

Von Burkhard Schwarz, Unternehmer und Betreiber der Plattform thg-vergleichstest.at

Ein Betrugsverdacht in der Mineralölindustrie könnte ähnliche Ausmaße wie der Abgas-Skandal der Automobilindustrie annehmen. Nur dieses Mal sind Fahrerinnen und Fahrer von Elektro- und Verbrennerfahrzeugen gleichermaßen betroffen, denn beide zahlen für die Praktiken der Öl-Multies: Verbrenner über den Biospritpreis an der Tankstelle und E-Autos indirekt durch die um drei Viertel gesunkene THG-Prämie. Die Differenz vereinnahmen Shell, BP, OMV & Co. als Gewinn. Es wurde Strafanzeige vom Umweltbundesamt gestellt – spät, aber immerhin.

Hintergrund

Die Mineralölindustrie muss nach den Klimaschutzgesetzen Emissionsreduktionen für ihre Kraftstoffe erbringen. Das kann entweder über den Einsatz von Biokraftstoffen, den Ankauf von THG-Quoten von Elektroautos oder über geförderte Klimaschutzprojekte in China geschehen (wir berichteten). Medienrecherchen1 haben nun ergeben, dass viele dieser Projekte im Reich der Mitte nur auf dem Papier existieren; Ölkonzerne haben ihre Klimaschutzpflichten allem Anschein nach mit vorgetäuschten Projekten erfüllt – mittlerweile informiert auch der Deutsche Bundestag2. Auch wenn sich die Untersuchungen zunächst auf Deutschland beziehen, könnte Österreich ebenso betroffen sein – denn auch hier ist die THG-Quote Anfang dieses Jahres im Wert drastisch eingebrochen.

Burkhard Schwarz, Plattformbetreiber thg-vergleichstest.at

Prekäre Situation

Aufgrund scheinbar nachlässiger Prüfungen dieser Projekte durch das deutsche Umweltbundesamt und anerkannte Prüfinstitute fiel der Betrug erst dann auf, als sich ein chinesisches Unternehmen bei der Behörde meldete und mitteilte, seine Anlagen würden ohne seine Kenntnis als Klimaschutzprojekt im Ausland gelten. Hier kommen im Grunde drei Probleme zusammen: Die kriminelle Energie der Mineralölunternehmen, die Fahrlässigkeit prüfender Behörden & Institute und das Interesse aller drei, Fehler über lange Zeit zu verbergen. Denn: Die ersten Berichte über Unregelmäßigkeiten gab es bereits vor anderthalb Jahren, als der Wert der THG-Quote plötzlich und unerwartet in Deutschland einbrach.

Entstandener Schaden

  • Mehr als 7,6 Millionen Tonnen angeblicher CO2-Einsparung gefälscht
  • Schaden für deutschen Markt bei 4,5 Milliarden Euro
  • Treibhausgas (THG)-Quoten für Biokraftstoffe aufgrund von Fälschungen unrechtmäßig vom Umweltbundesamt anerkannt
  • Ölkonzerne haben ihre Klimaschutzpflichten mit vorgetäuschten Projekten umgangen
  • Hinweisgeber aus der Branche wurden von den Behörden monatelang abgewimmelt

Die klimapolitische Wirkung der THG-Quote wurde massiv untergraben. Fälschlich angerechnete THG-Reduzierungen waren günstiger als legitime Quoten. Elektrofahrzeughalterinnen und -halter erzielten geringere Erlöse bei der THG-Prämie, das Förderinstrument der Elektromobilität wurde erheblich geschwächt, während Fahrerinnen und Fahrer von Verbrennern und im Übrigen auch Heizölkundinnen und -kunden für Klimaschutzprojekte zahlen, die es nicht gibt.

Zum Autor:

Burkhard Schwarz ist Ingenieur für Elektrotechnik und Fachmann für regenerative Energien. Als Pionier der Photovoltaik und Elektromobilität betreibt er unter anderem die Vergleichsplattform thg-vergleichstest.at  zur Beantragung der THG-ePrämie in Österreich.

Fußnoten


  1. https://www.zdf.de/politik/frontal/betrugsverdacht-bei-klimaschutzprojekten-in-china-mineraloel-konzern-100.html
    https://www.merkur.de/wirtschaft/klimaschutz-skandal-deutschland-finanziert-gefaelschte-klimaprojekte-in-china-zr-93123837.html ↩︎
  2. https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-1008030 ↩︎

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